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Geert Wilders propagiert Freiheit - nur für christliche Europäer.

© dpa

Rechtspopulismus in Europa: "Rassismus der Mitte"

Bekommt der Rechtspopulismus in Krisenzeiten neuen Auftrieb? Darüber wurde gestern in der Heinrich Böll-Stiftung diskutiert - mit dem Ergebnis, dass Europa mittlerweile zum Feinbild von Rechtspopulisten wird.

Machen Krisenzeiten Rechtspopulisten wieder salonfähig? Darüber wurde gestern Abend in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin diskutiert. Unter den Gästen war auch die griechische Journalistin Kaki Bali, die zunächst eine schockierende Geschichte erzählte: "Letzte Woche haben Griechen einen pakistanischen Jungen erstochen, weil er ihnen mit seinem Fahrrad den Weg versperrte“, erzählte sie und ergänzte, dass die Staatsanwaltschaft darin kein rassistisches Motiv erkennt. Vor einem Jahr wäre das „unerhört“ gewesen. Heute stoße das Verhalten der Staatsanwaltschaft auf Verständnis.

Rechtspopulismus zeige sich darin, dass sich die politische Rechte zur Demokratie und Freiheit bekenne, aber andere, „fremde Gruppen“ davon ausschließe, erläuterte Dick Pels. Der Professor und Direktor des Forschungsinstituts "Bureau de Helling" steht der holländischen Partei „GroenLinks“ nahe. Entscheidend sei, dass Populismus an sich „kein Fremdkörper“ ist, wie er es ausdrückt. Die Bemühungen um Frauenrechte sowie um die Rechte von Homosexuellen in den 1960er und 1970er Jahren hätten gezeigt, dass wir den „linken Populismus in unseren Genen“ tragen.

Heute könne man Rechtspopulismus in vielen europäischen Ländern beobachten - sei es die britische National Front, die deutsche NPD, Ataka in Bulgarien, die Slowakische Nationalpartei, Jobbik in Ungarn oder Chrysi Avgi in Griechenland. Aber der Rechtspopulismus hat sich gewandelt, erklärte Pels. Während früher darunter Antisemitismus und völkischer Nationalismus verstanden wurde (Nazi-Deutschland), tritt Rechtspopulismus heute als kultureller Nationalismus auf. Dabei soll die eigene, nationale Leitkultur verteidigt werden – vor Einwanderung und der daraus resultierenden Überfremdung.

Geert Wilders ist eines der bekanntesten Beispiele, dass er zwar für Freiheit einsteht, aber gegen Einwanderer aus islamischen Ländern ist – immer mit der Begründung, dass die Freiheitswerte der Niederlande, wie individuelle Freiheit, Frauenrechte und die Rechte von Homosexuellen, gegenüber dem Islam verteidigt werden müssten. Die Krise aber habe laut Pels dazu geführt, dass sich Schwerpunkte verschieben. Auch bei Wilders lasse sich dieser Strategiewechsel beobachten. Im Wahlkampf „hat Geert Wilders seine Feindbilder gewechselt“. Nicht der Islam, sondern Europa, das die holländischen Steuerzahler ausbeutet, ist nun der Feind.

Europafeindlicher Populismus bereitet in Krisenzeiten den Boden für solche Gruppierungen – das sieht auch Jan Philipp Albrecht so, Grünen-Abgeordneter im Europäischen Parlament. Albrecht hat die Broschüre „Europa Rechtsaussen“ veröffentlicht, in der er Kollegen aus dem EU-Parlament bloßstellt, die aus seiner Sichte rassistische Weltbilder vertreten. Dazu zählt er unter anderem den dänischen Abgeordneten Morten Messerschmidt, der offen gegen die Grenzöffnung zu osteuropäischen Ländern protestiert.

„Wir haben die Nase voll davon, dass morgens polnische, litauische und rumänische Laster leer über die Grenze fahren und abends voll mit geklauten Fernsehern und Stereoanlagen aus dänischen Ferienhäusern zurück.“ Mit diesem Satz wird Messerschmidt unter anderem zitiert.

Als „Rassismus der Mitte“ bezeichnet Albrecht dieses Phänomen. Dabei greifen Rechtspopulisten Themen auf, die bei der breiten Bevölkerung Zuspruch finden und andere Parteien ziehen mit ohne diese infrage zu stellen. Dadurch verschiebt sich der Diskurs zugunsten von rechten Themen. Das habe in Österreich stattgefunden, wo die FPÖ unter Jörg Haider durch den Populismus Fuß gefasst hat, sowie in den Niederlanden, aber auch in Deutschland. Als in den 1990er Jahren hierzulande Asylheime angezündet wurden, forderten Konservative und Sozialdemokraten eine Reform des Asylrechts. Diese habe letztendlich die NPD in die Landtage gebracht, glaubt Albrecht. Einen Ausweg sieht Albrecht darin, dass anderen Parteien „Gegenpositionen einnehmen und ein Lerneffekt in der Gesellschaft“ stattfinde. Die NSU-Affäre und die Pannen des Verfassungsschutzes in dieser Angelegenheit hätten bewiesen, dass staatliche Institutionen Probleme haben, Fremdenhass und Rassismus zu erkennen und in den Griff zu bekommen.

Und darin sind sich am Schluss alle einig: Im Jahr 2012 ist Rechtspopulismus tatsächlich salonfähig geworden- in Deutschland und ganz Europa.

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